Wiederholung ist die wohl am häufigsten genutzte Übe-Strategie von Musikern. Erkenntnisse aus der kognitiven Psychologie deuten darauf hin, dass das reine Wiederholen nicht automatisch die effizienteste und nachhaltigste Methode ist. In der Regel wird zwischen geblocktem und verschachteltem Lernen unterschieden. In diesem Artikel erfährst du mehr über diese zwei Übe-Methoden.

Geblocktes Lernen
Meistens hat man eine Liste an Stücken, Tonleitern, Übungen usw. die man nach und nach beim Üben abarbeitet. Bei dieser Form des Übens spricht man von „geblocktem Lernen“ (engl. blocked learning). Auch innerhalb von Stücken geht man meist chronologisch vor, bis man sich alles einmal angesehen hat. Konzepte oder Takte werden also in einer bestimmten Reihenfolge und auch mehrmals hintereinander geübt (aaabbbccc…)1.
Verschachteltes Lernen
Verschiedene Studien legen nahe, dass das Abarbeiten von einzelnen Blöcken nicht die effizienteste Form des Übens ist, die langfristig die besten Lernerfolge liefert. Eine andere Form des Übens wird als verschachteltes Lernen bezeichnet (engl. interleaved practice). Hier werden Konzepte, Stücke, Takte in einer zufälligen bzw. gemischten Reihenfolge geübt (abcbcacab…)1.
Geblocktes vs. verschachteltes Lernen
Du kennst bestimmt die Situation, dass du einen Abschnitt eines Stücks nach einigen Wiederholungen schon sehr gut spielen kannst. Und wenn du dich dann am Tag darauf wieder ans Klavier setzt, wirkt die Stelle so, als hättest du sie in deinem gesamten Leben noch nie gesehen.
Erkenntnisse aus der kognitiven Psychologie deuten darauf hin, dass sich wiederholende Ereignisse weniger stark verarbeitet werden. Die Wiederholungen führen zwar dazu, dass bestimmte Abschnitte recht schnell flüssiger und leichter von der Hand gehen. Diese schnell erreichten Verbesserungen sagen aber nichts darüber aus, dass diese Takte auch langfristig gelernt wurden2.
Beim verschachtelten Lernen wird häufig zwischen verschiedenen Aufgaben, Stücken und Takten gewechselt. Das führt zu einer mühsameren Verarbeitung, die mit mehr Aufwand verbunden ist. Während der Übe-Einheit hast du möglicherweise das Gefühl, dass das ständige Wechseln zu langsameren Fortschritten führt. Die stärkere, mühsamere Verarbeitung führt aber langfristig gesehen dazu, dass die geübten Stellen besser behalten werden2.
Contextual Interference Effect
Zurückzuführen ist das auf den sogenannten Contextual Interference Effect. Dieser Effekt beschreibt, dass Interferenz, also Störungen, sich vorteilhaft auf das Üben auswirken. Diese Störungen führen zwar dazu, dass die Leistung beim Üben selbst geringer ausfällt, die Informationen dafür jedoch stabiler und länger erhalten bleiben3.
In der wissenschaftlichen Literatur werden zwei Gründe für diesen Effekt angeführt. Das zeitgleiche Üben verschiedener Stücke, Takte etc. führt dazu, dass diese sich parallel im Arbeitsgedächtnis befinden, wo sie miteinander verglichen werden können. Das bringt zwar einen höheren kognitiven Aufwand mit sich, aber führt dazu dass das Gelernte stärker enkodiert und gespeichert wird2.
Ebenso führt das ständige Wechseln zwischen Aufgaben dazu, dass eine Sache vergessen wird und dann bei einer Wiederholung einige Zeit später erneut wiederhergestellt werden muss. Das Wiederherstellen ist zunächst anstrengender und führt zu einer schlechteren Leistung während des Üben selbst, bringt aber langfristig mit sich, dass die Informationen stärker im Gedächtnis verankert werden4.
Zusammenfassung
Beim geblockten Lernen werden Abschnitte direkt mehrmals wiederholt. Es sind weniger kognitive Prozesse aktiv. Wenn beispielsweise die Rechnung 5 + 7 gelöst werden muss, dann werden beim ersten Mal die entsprechenden Strategien zur Lösung angewendet. Muss dieselbe Rechnung direkt darauf nochmal gelöst werden, erinnert man sich lediglich an das Ergebnis von 12 und geht den Rechenweg nicht erneut durch.
Ganz ähnlich verhält es sich beim Üben: das ist natürlich auch der Grund warum ein Takt uns viel leichter von der Hand geht, nachdem wir ihn mehrmals wiederholt haben. Das ist aber gleichzeitig auch der Grund, warum dieser Takt eine Stunde später oder am darauffolgenden Tag „plötzlich“ überhaupt nicht mehr so gut funktioniert wie zuvor.
Wenn dir diese Situation bekannt vorkommt, dann probiere es doch gerne mal aus, etwas mehr Abwechslung in deine Übe-Einheiten einzubauen.
1. Taylor K, Rohrer D. The effects of interleaved practice. Appl Cogn Psychol. September 2010;24(6):837–48.
2. Carter CE, Grahn JA. Optimizing Music Learning: Exploring How Blocked and Interleaved Practice Schedules Affect Advanced Performance. Front Psychol [Internet]. 18. August 2016 [zitiert 9. November 2024];7. Verfügbar unter: https://www.frontiersin.org/journals/psychology/articles/10.3389/fpsyg.2016.01251/full
3. Magill R, Hall K. A review of the contextual interference effect in motor skill acquisition. Hum Mov Sci. 1. September 1990;9:241–89.
4. Mathias B, Palmer C, Perrin F, Tillmann B. Sensorimotor Learning Enhances Expectations During Auditory Perception. Cereb Cortex. August 2015;25(8):2238–54.
5. Schorn JM, Knowlton BJ. Interleaved practice benefits implicit sequence learning and transfer. Mem Cognit. Oktober 2021;49(7):1436–52.